Soldatinnen und Soldaten werden oft versetzt, alle zwei bis drei Jahre. Um die finanzielle Belastung abzumildern, gibt es die Umzugskostenvergütung (UKV) und das Trennungsgeld (TG). Die Soldatinnen und Soldaten in ver.di setzten sich dafür ein, dass es hierfür keine zeitliche Begrenzung mehr gibt.
Jürgen Soldner, wurde 1967 geboren. Die Grundausbildung absolvierte er in Essen Kupferdreh, danach wurde er Unteroffizier bei der Luftwaffe in Pinneberg. Sein Weg führte ihn zur fliegenden Staffel in Lechfeld und nach Trier zum Zentrum elektronischer Kampf, er war auch in Auslandseinsätzen und ist heute nicht nur im Hauptpersonalrat der Bundeswehr, sondern auch im Gesamtvertrauenspersonenausschuss beim Bundesministerium der Verteidigung.
Tobias Brösdorf, wurde 1975 in Mühlhausen in Thüringen geboren. Im Herbst 1993 entschied er sich für eine Bewerbung bei der Bundeswehr. Seit Juli 1994 ist er Soldat, im Dienstgrad Oberstleutnant und mittlerweile im 30igesten Dienstjahr.
Was war damals eure Motivation, um zur Bundeswehr zu gehen?
Jürgen: Ich denke, wenn man jung ist, dann kann man nicht sagen, man ist aus Überzeugung Kriegsdienstverweigerer oder aus Überzeugung Soldat. Nichts davon stimmt. Ich konnte damals nicht sagen, ob es nun gut ist oder schlecht ist zur Bundeswehr zu gehen. Da man dort aber weitere Ausbildungen machen konnte, habe ich mich dazu entschieden, nicht zu verweigern.
Tobias: Wichtig ist hierbei zu verstehen, wo ich aufgewachsen bin. Ich habe 14,5 Jahre meines Lebens die DDR kennenlernen dürfen, mit all ihren Vorzügen und Nachteilen. Mir wurde immer eingetrichtert: Wenn du etwas vom Staat willst, solltest du auch bereit sein, etwas diesem Staat zu geben. Aber die intrinsische Motivation, für diesen Staat etwas zu geben, war bei mir seinerzeit „eher nicht so ausgeprägt“.
Nach dem Fall der Mauer habe ich als Jugendlicher die neu gewonnene Freiheit kennen lernen dürfen und das auch sehr zu schätzen gewusst. In der zwölften Klasse habe ich mich dann daran erinnert, was mir in der DDR immer gesagt wurde: Wenn du etwas von dem Staat willst, musst du bereit sein, etwas dafür zu geben. Ich fand das damals überzeugend zu sagen: Ja, hierfür bin ich bereit, Soldat zu sein. Zudem gab es auch ein paar handfeste Argumente, die dafürgesprochen haben. Die Bezahlung ist gut und auch das Studium, welches man als Offiziersanwärter durchläuft.
Wie ist euer täglicher Arbeitsalltag bei der Bundeswehr und wie hat sich dieser mit der Zeit verändert?
Jürgen: Angefangen habe ich als Flieger UA mbL GTI 16V [Unteroffizier-Anwärter mit bestandenem (Unteroffiziers-)Lehrgang)], so hat man das jedenfalls früher einmal genannt, wenn du zur Bundeswehr gegangen bist und im Mannschaftsdienstgrad angefangen hast, im Bereich der Luftwaffe. Die Grundausbildung war in Essen Kupferdreh, danach ging es weiter nach Pinneberg. Dort war ich im Bereich der Luftwaffe und habe dann die Ausbildung zum Unteroffizier gemacht.
Später ging es nach Lerchfeld in die zweite fliegende Staffel, dort habe ich den Flugbetriebsmeister gemacht. Nach mehreren weiteren Stationen ging es dann auch ins Ausland. Dort hat man dann erst richtig gemerkt, was Kameradschaft bedeutet. Hier war es wirklich wichtig dafür zu sorgen, dass kein Flugzeug vom Himmel herunterfällt. Dass alle auch wieder heil zurückkommen. Das haben wir dort gut hinbekommen.
Irgendwann bin ich dann nach dem Unteroffizier auch Hauptfeldwebel geworden. Ich habe dann weiter in der Staffel gearbeitet mit einem zweiten Dienstposten im Stab, welchen ich auch noch zusätzlich ausfüllen durfte. Das war zwar doppelt so viel Arbeit, aber du wächst auch zusammen, wenn du so etwas wie ein Geschwader hast. Es sind zwar 1400 Mann, aber trotzdem kennt jeder jeden in diesem Geschwader. Das ist dann schon so etwas wie eine Familie.
Um das Jahr 2000 herum bin ich dann in den Gesamtvertrauenspersonenausschuss (GVPA) gewählt worden. In der zweiten Legislatur im Jahr 2004 wurde ich dort auch freigestellt. Zur dritten Legislatur habe ich mich zudem auch für den Hauptpersonalrat aufstellen lassen, das war im Jahr 2007. Zudem wurde ich in der gleichen Zeit auch in den Bezirkspersonalrat (BPR) gewählt.
Tobias: Ich habe als Offizieranwärter bei der Panzertruppe angefangen, mit der Grundausbildung zum Panzeroffizier. Dort habe ich alle Tätigkeiten gelernt, welche mit einem Kampfpanzer zusammenhängen. Danach habe ich drei Jahre lang studiert, den Studiengang Staats- und Sozialwissenschaften. Das war eine Mischung aus Politik, Recht und Geschichte, mit Anteilen aus dem Sozialbereich. Als Nebenfächer hatte ich Wirtschaftswissenschaften und Soziologie, ein ganz buntes Portfolio. Das war auch der Grund, weshalb ich bis heute bei der Bundeswehr geblieben bin und später auch in der Ausbildung tätig war.
Danach war ich Kompaniechef in der Panzertruppe sowie in einer Stabs- und Versorgungskompanie. Diese ist ein Enabler für den Gefechtsverband. Dort habe ich an die 280 Leute geführt, inklusive der disziplinarischen Verantwortung. Hierauf kamen dann klassische Schreibtisch-Tätigkeiten im Stab, was sich bis heute durchzieht. Seit vier Jahren bin ich jetzt Referent im Bundesministerium der Verteidigung und mache mit 50 Prozent meiner Arbeitszeit Personalratstätigkeiten.
Welche Probleme gibt es bei der Bundeswehr?
Tobias: Ein großes Problem für viele Soldatinnen und Soldaten ist das Bildungssystem in Deutschland. Nicht für sich selbst, sondern für die Familie. Als Soldat zieht man oft durch die Republik und wenn die eigenen Kinder dann die 16 verschiedene Schulsysteme ausprobieren dürfen, dann ist das keine gute Lösung. Deshalb muss irgendwann die Entscheidung getroffen werden, wo man sich mit der Familie niederlässt und seine eigene „Homebase“ gründet, damit die Familie in geordneten Verhältnissen leben kann. Dies ist auch für die Partner wichtig, da es zum Beispiel am Bundeswehrstandort Holzdorf keine zivilen Arbeitsstellen gibt. Somit ist auch ein Umzug an den Standort unattraktiv. Deshalb bin ich seit 2011 Fernpendler.
Durch das „mobile Arbeiten“ ist das jetzt etwas erträglicher geworden. Aber ansonsten ist man von Montag bis Freitag von der Familie abwesend, mit allen Nachteilen, was das Ganze mit sich bringt. Das ist wirklich eine Herausforderung. Für die Statusgruppe der Soldatinnen und Soldaten ist nämlich die Versetzungshäufigkeit, je nach Dienstgrad-Gruppe, doch sehr hoch. Bei den Offizieren kann man davon ausgehen, dass diese alle zwei bis drei Jahre versetzt werden. Bei den Fachdienstoffizieren ist die Spanne eher in Richtung fünf Jahre, aber dort ist dies auch relativ häufig.
Jürgen: Leider ist es auch eines der Probleme der Bundeswehr, dass Soldaten nicht immer eine Aufgabe erhalten, welche von ihnen auch erledigt werden kann. Hierfür bedarf es dann eines Vorgesetzen, welcher das Wort „Kritik“ nicht nur für schlecht gelaufenen Aufträge verwendet, sondern auch mal lobt und fördert. Dies nennt sich „Führungskultur“ oder „Innere Führung“, die in den letzten Jahren in den Hintergrund gerieten. Für demokratische Armeen ist dieser Grundsatz nicht verzichtbar, ebenso wenig wie demokratische Regierungen eine Verfassung als Basis für ihre Gesetze benötigen, welche ein friedliches Zusammenlegen sicherstellen. Dafür setzen wir uns als Soldaten in ver.di ein.
Welche Unterstützung erhalten die Soldatinnen und Soldaten, wenn sie versetzt werden?
Tobias: Hier gibt es eine konkrete Maßnahme, welche unter der ehemaligen Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen ins Leben gerufen wurde. Die sogenannte Drei-plus-Fünf-Regelung. In den ersten drei Jahren kann man sich noch frei entscheiden, ob man lieber umziehen oder Trennungsgeld erhalten möchte. Nach den drei Jahren muss man sich dann final entscheiden, wie es aussieht. Möchte man umziehen oder doch lieber weiterhin das Trennungsgeld erhalten? Das Trennungsgeld wird dann noch für maximal fünf Jahre weitergezahlt.
Als Beispiel nehme ich jetzt den Bundeswehrstandort Holzdorf. Dort gibt es Kameradinnen und Kameraden, die auf Trennungsgeldbasis jede Woche nach Holzdorf pendeln. Die Familie wohnt in einer anderen Stadt, zum Beispiel in Magdeburg oder in München. Nach den acht Jahren muss die Soldatin oder der Soldat die ganzen Trennungsgeldaufwendungen, sprich Fahrtkosten, Unterkunft am Standort etc. aus der eigenen Tasche bezahlen. Dies wird natürlich zu einer hohen finanziellen Belastung, vor allem bei den aktuellen Mietpreisen. Deshalb setzen wir uns für eine tatsächliche Verstetigung der Wahlfreiheit zwischen der Umzugskostenvergütung und dem Trennungsgeld ein, ohne eine entsprechende Begrenzung. Damit soziale Herausforderungen abgefedert werden und der Dienst attraktiv bleibt.
Jürgen: Hier spielt das Personalmanagement eine entscheidende Rolle, als Beispiel: Du bist in München beschäftigt, aber deine Wohnung ist in Berlin. Sollte es jetzt eine freie Stelle in Berlin geben wird der Soldat nicht ohne Ersatzgestellung versetzt. Somit bleibst du auch weiterhin in München und in Berlin ist der Dienstposten unbesetzt.
Findet sich jetzt jemand Neues muss dieser erst drei Jahre ausgebildet werden, bevor der Dienstposten in Berlin besetzt werden kann. Als ver.di Soldaten fordern wir mehr Mut und Aktion. Vielleicht hat man unten links ein Loch gerissen, dafür aber oben rechts eins gestopft. Dies wäre wünschenswert, denn damit könnten wir dieser immer stärker werdenden Trennung von Familie und Beruf entgegenwirken.
Vielen Dank für das Gespräch Jürgen und Tobias!