Anwärterinnen und Anwärter

Die Gesundheitliche Eignung

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26.06.2024

Nach dem Grundgesetz hat jede und jeder Deutsche nach ihrer oder seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt (Art. 33 Abs. 2). Die Auswahl erfolgt nach dem Prinzip der Bestenauslese. Im öffentlichen Interesse sollen die Stellen nur mit geeigneten Anwärterinnen und Anwärtern besetzt werden. Dabei spielt die „Eignung“ eine besondere Rolle. Darunter ist zu verstehen, dass eine Person in gesundheitlicher, charakterlicher und persönlicher Hinsicht geeignet sein muss. Die Gesundheit wiederum bezieht sich sowohl auf die psychische als auch auf die physische Gesundheit der Bewerberinnen und Bewerber. Ob die gesundheitliche Eignung gegeben ist oder nicht, wird im Rahmen einer amtsärztlichen Untersuchung vor der Einstellung geprüft.

Damit sind viele Fragen und Unsicherheiten verbunden. Welche Maßstäbe und Kriterien werden angelegt? Was passiert, wenn ich eine Vorerkrankung habe? Kann ich die amtsärztliche Untersuchung umgehen? Muss ich alles offenlegen? – und viele weitere Fragen.

Beamtinnen und Beamte werden grundsätzlich auf Lebenszeit eingestellt. Wenn sie erkranken oder gar dienstunfähig werden, muss die öffentliche Hand für sie aufkommen. Nach dem Alimentations– und Fürsorgeprinzip ist der Dienstherr dazu verpflichtet. Deshalb wird die gesundheitliche Eignung vor der Einstellung intensiv geprüft. Die Amtsarztärztin oder der Amtsarzt überprüft allerdings nicht nur, ob die Kandidatin oder der Kandidat aktuell fit ist, sondern sie blicken auch in die Zukunft.

Seit einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2013 gilt, dass Anwärterinnen und Anwärter nur dann keine Chance haben, eingestellt zu werden, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass sie vor Erreichen der Altersgrenze dienstunfähig werden.

Schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber sind in keiner Weise ausgeschlossen. Eine schwerbehinderte Einstellungsbewerberin oder -Bewerber hat einen Anspruch auf behinderungsgerechte Berücksichtigung. Eine Bewerberin oder Bewerber darf daher wegen ihrer/seiner Behinderung nur dann von dem Einstellungsverfahren ausgeschlossen werden, wenn dienstliche Bedürfnisse eine dauerhafte Verwendung in dem angestrebten Amt zwingend ausschließen. Das dürfte zumeist nicht der Fall sein, da die meisten Dienstposten sich behinderungsgerecht einrichten lassen.

Mit der amtsärztlichen Untersuchung, beziehungsweise der daraus abgegebenen Wertung trifft der Dienstherr schließlich eine Prognoseentscheidung, die für den beruflichen Werdegang vieler – auch gesundheitlich beeinträchtigter Anwärterinnen und Anwärter – ganz entscheidend sein kann.

 

Fallbeispiele: Bewerberinnen und Bewerber die nicht eingestellt wurden

Ein Beispiel ist der Fall einer an Adipositas erkrankten Kandidatin. Vor der amtsärztlichen Untersuchung hatte sie zwar deutlich abgenommen und wollte damit zeigen, dass sie ihr gesundheitliches Problem in den Griff bekommen hat und sich die Situation positiv entwickelt. Die Amtsärztin sah dies allerdings anders. Das Abnehmen (und das spätere Wieder-Zunehmen) sei typisch und charakteristisch für das Krankheitsbild. Sie verwies in ihrem Gutachten auf das hohe Gesundheitsrisiko der Adipositas. In der Folge entschied die Verwaltung, die Bewerberin nicht einzustellen.

In einem anderen Fall litt ein angehender Feuerwehrmann an Herzproblemen, die ihm aktuell keine Schwierigkeiten bereiteten. Dennoch entschied der Dienstherr aufgrund der amtsärztlichen Untersuchung und Stellungnahme, den Feuerwehrmann nicht in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zu übernehmen. Auch die Erwiderung des Feuerwehrkollegen, dass er erst einmal in einem Beamtenverhältnis auf Probe zeigen könne, dass er langfristig gesundheitlich geeignet sei, war erfolglos. Für alle Beamtenverhältnisse gelten die gleichen Voraussetzungen, zumal das Beamtenverhältnis „auf Probe“ in dasjenige auf Lebenszeit überleiten soll.

 

Was können also Anwärterinnen und Anwärter tun, die Angst vor der amtsärztlichen Untersuchung haben?

  • Die Untersuchung lässt sich nicht vermeiden. Wer nicht hingeht, wird wahrscheinlich nicht eingestellt.
  • Wer hingeht, aber bewusst Dinge verschweigt, riskiert viel. Dazu ein Beispiel: Wer suchtkrank war/ist und dies bei der amtsärztlichen Untersuchung nicht angibt, kann später seinen Job verlieren. Und zwar dann, wenn später wieder Suchtprobleme auftreten und sich herausstellt, dass die Bewerberin oder der Bewerber dies verschwiegen hat. Dann kann sich unter Umständen auch die Frage der charakterlichen Eignung stellen und es droht die Entlassung. Schlimmstenfalls müssen Bezüge zurückgezahlt werden. Daher der Rat, lieber mit offenen Karten zu spielen.
  • Die Amtsärztin oder der Amtsarzt muss vor der Beurteilung von der Schweigepflicht entbunden werden, was zweifellos einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Anwärterinnen und Anwärter darstellt.
  • Wenn Anwärterinnen und Anwärter aus gesundheitlicher Sicht Sorge vor der amtsärztlichen Untersuchung haben, sollte dieser Termin sehr sorgfältig vorbereitet werden.
  • Die Entscheidung über die Einstellung trifft nicht die Amtsärztin oder der Amtsarzt, sondern letztlich der Dienstherr. Die Amtsärztin oder der Amtsarzt ist im Gegensatz zur Hausärztin oder dem Hausarzt eine externe, neutrale Gutachterin oder Gutachter. Sie oder er hat aber die gesundheitliche Eignung der Bewerberinnen und Bewerber zu prüfen. Um eventuell aufkommenden Zweifeln rechtzeitig zu begegnen, haben Anwärterinnen und Anwärter die Möglichkeit, selbst Gutachten oder Stellungnahmen von entsprechenden Ärzten oder Institutionen einzuholen und zur amtsärztlichen Untersuchung vorzulegen. Dabei gilt: Je vertrauenswürdiger beziehungsweise je renommierter die beauftragte Institution, desto besser.
  • Es ist zu beachten, dass dem amtsärztlichen Gutachten ein sehr hoher Stellenwert beigemessen wird.
  • Von ärztlichen Gutachten ist zu erwarten, dass sie aussagekräftig und plausibel sind, was leider sowohl bei privaten als auch bei amtsärztlichen Gutachten oft nicht der Fall ist. Das macht die Gutachten angreifbar. Hier liegt auch eine Chance für eine mögliche rechtliche Überprüfung eines bereits vorliegenden negativen amtsärztlichen Gutachtens. Die Aussagen der Ärztin oder des Arztes müssen nachvollziehbar sein, Untersuchungsmethoden, Befunde oder deren Auswertungen müssen überprüfbar sein. Das Ergebnis muss in einer logischen Kette zu den erfolgten Analysen stehen. Ist dies nicht der Fall, könnte hier eingehakt werden.

Allerdings sind die Rechtsschutzmöglichkeiten bei einer bereits erfolgten amtsärztlichen Untersuchung begrenzt. Entscheidend ist daher, die Amtsärztin oder den Amtsarzt im Rahmen der Untersuchung davon zu überzeugen, dass die gesundheitliche Eignung für die gesamte Laufbahn - trotz eventuell bestehender Einschränkungen - gegeben ist. Wichtig ist es nachzuweisen, dass es keine überwiegende Wahrscheinlichkeit gibt, dass die Regelaltersgrenze im aktiven Dienst nicht erreicht wird und auch keine langen Ausfallzeiten zu erwarten sind. An dieser Stelle, im Vorfeld der amtsärztlichen Untersuchung, lohnt sich also das Engagement. Nur durch eine gründliche Vorbereitung lassen sich auch bei gesundheitlichen Einschränkungen die bestehenden Chancen nutzen.

  •  Rechtzeitige Information und Beratung sind notwendig, wenn Probleme zu erwarten sind. Personalräte, Jugend- und Auszubildendenvertretungen und auch die Vertrauenspersonen der Schwerbehinderten kennen eventuell Vergleichsfälle und wissen, wie in den jeweiligen Dienststellen über Einstellungen entschieden wird.
  • Eine frühzeitige Beratung vor der amtsärztlichen Untersuchung durch Deine Gewerkschaft ver.di oder den gewerkschaftlichen Rechtsschutz klären über die Rechtslage auf und schützen Dich vor unliebsamen Überraschungen.
  • In Fällen, in denen Anwärterinnen und Anwärter unter schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen leiden, muss unter Umständen damit gerechnet werden, dass sie nicht in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit übernommen werden. Daher ist es notwendig, sich ggf. rechtzeitig über berufliche Alternativen zu informieren.

 

Was fordert ver.di?

  • ver.di fordert bundesweit einheitliche Beurteilungskriterien für die gesundheitliche Eignung. Ein Bundesgesetz wäre der geeignete Weg, um für Transparenz und Einheitlichkeit zu sorgen.
  • Häufig werden Privatärzte mit amtsärztlichen Gutachten beauftragt. Auch hier ist auf einheitliche Bewertungsmaßstäbe zu achten. Die Qualifikation der Gutachterinnen und Gutachter muss gewährleistet sein.

 

Zur gesundheitlichen Eignung von Anwärterinnen und Anwärtern gibt es diesen Text auch als Flyer. Wende dich hierzu an deinen ver.di-Bezirk vor Ort.